1. Namensursprung
Etwa 15 km südöstlich von Guttstadt im ehemaligen Ermland (Ostpreußen) auf etwa halbem Weg nach Wartenburg liegt das Dorf Grunenberg. Die Region war lange Zeit ein vom baltischen Volk der Prußen bewohntes Gebiet. Die Prußen waren eines der drei Völker (Litauer, Letten und Prußen), die das Baltikum bewohnten. Nach dem Sieg des Deutschen Ordens über die Prußen kamen deutsche Siedler ins Ermland. Die Bevölkerungsmehrheit bestand aber nach wie vor aus Prußen. Sie hatten eine eigene baltische Sprache und Kultur und wohnten in eigenen Siedlungsgebieten wie z. B. zwischen Guttstadt und Wartenburg.
Das Dorf Grunenberg wurde vor 1376 als Grawdekayme bezeichnet. Der Name stammt aus dem Prußischen und bedeutet soviel wie "grünes, fruchtbares Dorf oder Berg". Mit der Verbreitung der deutschen Sprache im Ermland wurde das Dorf nach 1376 als Grunenberg oder Gradtken (Kurzform von Grawdekayme) bezeichnet. Bei der Einführung der Nachnamen erhielten die Dorfbewohner die Herkunftsbezeichnung Grunenberg.
Das Dorf Grunenberg liegt heute in Polen und heißt Gradki.
Steinfigur aus prußischer Zeit im Schlosshof von Allenstein und ein Nachkomme mit prußischen Wurzeln. Der Nachname Grunenberg leitet sich von der gleichnamigen Ortsgründung durch die Prußen ab. Zu prußischer Zeit hieß das Dorf "Grawdekayme" (grünes, fruchtbares Dorf oder Berg) und wurde 1409 in Grunenberg umbenannt.
2. Der älteste bekannte Namensträger Grunenberg [Ermland: Generation 9]
Meine Vorfahren lebten bis um 1900 in Grunenberg und der näheren Umgebung (Alt Wartenburg und Tengutten). In der ältesten bekannten Bauernliste des Ermlands aus dem Jahr 1688 wird "Gregorius Gruneberk" (ID 1024) als Bauer in Alt Wartenburg genannt. Er hatte 2 Hufen Land, 3 Pferde, 2 Ochsen, 2 Kühe und weiteres Vieh. Damit war er als Bauer relativ gut betucht.
3. Nachfolgende Generationen in Alt Wartenburg
Der Enkel von Georg Grunenberg erbte den Hof in Alt Wartenburg und war zeitweilig Gutspächter im Dorf Grunenberg (Gradtken). Sein Vorname ist leider nicht
überliefert (ID 256). Sein Sohn Peter Grunenberg (ID 128) erbte den Hof nach dem Tod seines Vaters. Peter Grunenberg hatte männliche Nachkommen, vermachte aber den Hof an seinen Schwiegersohn
namens Krebs zwischen 1801 und 1824. Warum Peter den Hof nicht an einen seiner Söhne vererbte, bleibt im Dunkel der Geschichte. Man kann wohl von einem Familienzwist ausgehen, denn nun begann der
soziale Abstieg der nachfolgenden Generationen. Peters Sohn, Johannes Grunenberg (ID 64) lebte in Alt Wartenburg als Instmann (Tagelöhner). Er besaß keinen Hof und war auch kein Bauer wie seine
Vorfahren.
4. Grunenberg in Tengutten
Peters Enkel war Josef Grunenberg (ID 32). Dieser zog von seinem Geburtsort Alt Wartenburg in das nahegelegene Gutsdorf Tengutten. Auch er war, wie auch seine
Nachkommen, Instmann. Josef Grunenberg hatte 8 Kinder. Auf ihn fiel ein Baum im Wald und er war danach völlig verwirrt. So verließ er im tiefsten Winter bei hohem Schnee barfuß das Haus. Er starb
mit 54 Jahren und der Pfarrer trug als Todesursache Nervenfieber ins Kirchenbuch ein.
Sein erster Sohn Valentin Grunenberg (ID 16) wurde im Jahr 1842 in Tengutten geboren und starb im Alter von nur 44 Jahren an Typhus. Dieser wiederum hatte 7 Kinder,
eines davon war mein Großvater Valentin Grunenberg (ID 8). Er erblickte im Jahr 1879 in Tengutten das Licht der Welt. Valentin verließ das Ermland und zog ins Ruhrgebiet. Tengutten heißt heute
Teguty und liegt in Polen.
5. Valentin Grunenberg (ID 8)
Mein Großvater wurde in Tengutten als sechstes Kind einer neunköpfigen Familie geboren. Aus Erzählungen weiß ich, dass der Familie nur
ein Wohnraum zur Verfügung stand. Zur Schule nach Tollack (4 km entfernt) ging mein Großvater barfuß, um die Schuhe zu schonen. An der Schule angekommen, reinigte er die Füße an einem Brunnen und
zog erst dann die Schuhe für den Unterricht an. Nur beim Unterricht trug er seine Schuhe an den Füßen. Valentin ging 4 Jahre zur Schule.
Den Militärdienst leistete er vom 17. Oktober 1901 bis zum 21. September 1903 in Hagenau im Elsass bei der 11. Kompanie 2.
Unter-Elsässisches Infanterie Regiment Nr. 137 ab. Er verließ die Armee als Musketier. Im Führungszeugnis wurde die Note "gut" vergeben und es gab keinen Vermerk über gerichtliche und dienstliche
Strafen.
Valentin Grunenberg (ID 8) während seines
Militärdienstes um 1903 in Hagenau/Elsass.
Valentin Grunenberg während eines Heimaturlaubs um 1903. Die Aufnahme wurde in einem Fotostudio in Allenstein gemacht.
Nach seinem Militärdienst im Elsass zog Valentin Grunenberg ins Ruhrgebiet und begann als Lehrhauer im Bergbau. Bereits ein Jahr nach
seiner Ankunft in seiner neuen Heimat heiratete er im Alter von 25 Jahren die vier Jahre jüngere Katharina Wohlgemuth, die ebenfalls aus dem Ermland in Ostpreußen stammte. Die standesamtliche
Heirat fand im September 1904 in Gelsenkirchen 6 (GE-Hüllen) statt und auch das erste Kind Maria wurde in Hüllen geboren (1905). Nach einem kurzen Wohnortwechsel in die Karlstraße 10a in Wanne
zog die Familie recht bald in der Bergstraße 33a in Wanne (jetzt Herne). Dort erblickten 9 weitere Kinder das Licht der Welt. 7 von den insgesamt 10 Kindern erreichten das Erwachsenenalter und
bekamen selber Kinder.
Hochzeitsfoto von Valentin Grunenberg und Katharina Wohlgemuth aus dem Jahr 1904.
Familienfoto vor der Einberu-fung von Valentin Grunen-berg zum Militärdienst mit Ehefrau Katharina geb. Wohl-gemuth und den zu dieser Zeit lebenden Kindern (von links nach rechts): Maria (9 Jahre), Bruno (5), Theresia (1), Bernhard (3) und Hedwig (7). Tochter Johanna war verstorben.
Ich danke Michaela Gärtner für die Zusendung dieses Fotos.
Nach der Geburt der ersten sechs Kinder wurde Valentin 1914 zum 1. Weltkrieg einberufen. Er bediente dort ein damals hochmodernes wassergekühltes Maschinengewehr. An der Front verlor er ein Bein und kam nach Berlin-Oberschöneweide ins Kasernen-Lazarett. Der Krieg war für den Invaliden zu Ende.
Valentin Grunenberg im 1. Weltkrieg (mit Kreuz gekennzeichnet) und als Bildausschnitt. Die schrecklichen Kriegserlebnisse haben ihn merklich altern lassen.
1924 wurde das letzte Kind geboren und bereits 1926 starb Katharina Wohlgemuth im Alter von nur 43 Jahren an Tuberkolose.
Valentin blieb in der Wohnung in der Bergstraße 33a bis 1946; zunächst mit seinen drei jüngsten Töchtern. Die Wohnung bestand aus einer Küche, dem Schlafzimmer und
der sogenannten "3. Stube". Das zweitjüngste Kind Käthe gab er dann ab an seine in Berlin lebende Schwester, die keine Kinder bekommen konnte. Käthe wurde gegen das drittjüngste Kind Gertrud
Elisabeth "getauscht", die zuvor in Berlin bei der Tante lebte. Gertrud Elisabeth kam zurück nach Wanne-Eickel, weil sie starkes Heimweh hatte. [Ermland: Generation 2]
Valentin Grunenberg mit 4 seiner Töchter. Geschätztes Aufnahmejahr 1929.
Von links nach rechts: Hedwig, Gertrud Elisabeth, Valentin , Margarete, Therese. Auf dem Bild fehlt Tochter Käthe, die dauerhaft bei Valentins Schwester in
Berlin lebte. Auch die beiden Söhne Bruno (Ausbildung zum Schuhmacher im Münsterland) und Bernhard (Arbeit bei einem Bauern in Ostpreußen) waren zum Zeitpunkt der Aufnahme nicht in
Wanne-Eickel.
Trotz der bescheidenen finanziellen Verhältnisse als Invalide ließ sich Valentin Grunenberg gerne mit seinen Kindern beim Fotografen ablichten. Zwischen den beiden
Aufnahmen liegen geschätzt 3 Jahre. Als Kriegsversehrter arbeitete Valentin Grunenberg auf der Zeche "über Tage". Das führte zeitweilig zur Kürzung der Invalidenrente. In Erinnerung
blieb meinem Bruder Karlheinz der Ausspruch mit scharfem rollenden R in ostpreußischem Dialekt: "Bein ab bis zum Arsch, aber Geld gibt es nicht."
Nach dem Krieg schusterte Valentin. Ob diese Tätigkeit, wie bei seinem Sohn Bruno, im Auftrag der Zeche erfolgte, ist nicht überliefert.
Sein amputiertes Bein wurde mehrfach gekürzt. Beim Stumpfreißen hatte Valentin starke Schmerzen. Die Ärzte sprachen von verknoteten Nervenenden als Ursache. Brach Valentin einen Besuch bei uns zu Hause wegen eines sich anbahnenden Wetterumschwungs ab, schickte mich meine Mutter zur Begleitung mit. Valentin war das unangenehm. Er wollte seine starken Schmerzen dem Enkel gegenüber nicht zeigen und schickte mich regelmäßig wieder nach Hause. Für mich eine zwiespältige Situation. Meine Mutter wollte, dass ich ihn begleite und mein Opa wollte das auf keinen Fall.
Valentin Grunenberg mit seinen Töchtern Gertrud und Margarete um 1932 (Aufnahmejahr geschätzt).
Zeit seines Lebens spielte Valentin gerne. Viele Stunden verbrachte er mit seiner Enkelin Irmgard beim Rommé in der Bergstraße. War er mit Verwandten beim Spiel, kam rasch der Einwand "sind wir hier zum Reden oder zum Spielen". Nach seinem Umzug in die Mathildenstraße spielte er stundenlang mit sich selber Karten und mit einem selbstgebasteltem Spiel aus Holz (Solitär). Ich erinnere mich noch an den dicken Zigarrenqualm, hinter dem mit Opa leidenschaftlich "geklammert" (Kartenspiel) wurde.
Valentin Grunenberg geschätzt um 1935 auf einem Passfoto. Seit dieser Zeit rasierte er sich aus Sparsamkeitsgründen sein Kopfhaar. Opa Valentin hatte von heute
auf morgen eine Glatze. Man sieht auf diesem Foto deutlich den Unterschied zwischen seinem gebräuntes Gesicht und der hellen Kopfhaut nach der Rasur.
Treffen von Kriegsveteranen am Hermannsdenkmal. Valentin Grunenberg vermutlich vorne, 3. von links.
Geschätztes Jahr der Aufnahme: 1940er Jahre.
Valentin Grunenberg war immer ein sehr sparsam lebender Mann. Ab Mitte der 1930er Jahre rasierte er sich regelmäßig sein Haupthaar. Damit sparte er sich den Gang zum Friseur. Es scheint nicht ungewöhnlich zu sein, dass ein Mann mit über 50 Jahren eine Glatze hatte. Doch weiß ich von meinem Vater, dass Valentin auch im Alter von über 80 Jahren noch einen dichten Haarkranz hatte. Dieser fiel regelmäßig der Rasur zum Opfer.
Die Enkel fanden Opa Valentin zuweilen "geizig". Erhofftes und ersehntes Wechselgeld nach einem Kartenspiel unter Männern ging nicht als "Trinkgeld" an die Enkel. Selbst Ein- und Zweipfennigstücke wurden noch nach Wochen zurückgefordert.
Valentin Grunenberg (vorne rechts) 1943 bei der Hochzeit seiner Tochter Käthe in Berlin.
In der 2. Reihe, 2. von rechts Valentins Schwester Gertrud Grunenberg, verh. Striebel.
Gegen Kriegsende zog Valentin Grunenberg von der Bergstraße in die Mathildenstraße 11 in Wanne-Eickel. Diese Wohnung wurde zuvor von der Familie seiner Tochter
Hedwig, seinem damals noch unverheirateten Sohn Bruno (1937) und danach von der Familie seiner Tochter Theresia bewohnt. Nach dem Umzug von Theresia nach Bochum bzw. Evakuierung nach Pommern zog
wieder sein Sohn Bruno (ausgebombt in WAN-Röhlinghausen) mit Familie und Tochter Margrete mit Ehemann ein. Valentin bewohnte das Zimmer im Obergeschoss zur Gartenseite. Im Nachbarhaus
(Mathildenstraße 13) lebte die Tochter Gertrud Elisabeth mit ihrer Familie in einem Zimmer.
1952 zog Valentin Grunenberg zusammen mit der Familie seiner Tochter Margrete nach Dortmund in die Volmarsteiner Straße 9. Als diese Wohnung wegen anstehendem Nachwuchses zu klein wurde, ging es für Valentin zurück nach Wanne-Eickel in die Claudiusstraße zu seiner Tochter Theresia. Dort wohnte er bis zu seinem Tod.
Man erkennt leicht, dass Valentin sein Leben lang von seinen Kindern umgeben war. Das spricht sicherlich für seinen ausgeprägten Familiensinn.
Valentin Grunenberg auf dem Hof der Mathildenstraße 11 (oben links). Das Foto entstand vermutlich um 1954 auf der Kommunionfeier seines Enkels Bernhard Grunenberg. Die anderen Bilder zeigen Valentin Grunenberg 1962 auf der Hochzeitsfeier der Enkelin Marga.
So haben meine Geschwister, Cousinen, Cousins und ich unseren Großvater Valentin Grunenberg in Erinnerung: Ein vitaler, kraftvoller älterer Herr.
Aufnahme Juli 1960 : Valentin Grunenberg mit 81 Jahren. Das Alter sieht man ihm wahrlich nicht an!
1964 starb Valentin Grunenberg in Alter von 85 Jahren im St. Anna Hospital von Wanne-Eickel an Darmverschlingung. Er wurde auf dem Wanne-Eickeler Waldfriedhof beerdigt. Das Grab lag in unmittelbarer Nähe der letzten Ruhestätte seiner Ehefrau Katharina, die 38 Jahre vor ihm gestorben war. Für die Lage des Grabes hat sich der Ehemann einer Enkelin (Marga) eingesetzt.
Meinen persönlichen Abschied nahm ich im Alter von 10 Jahren von meinem Opa, in dem ich ihm in der Leichenhalle die Hand streichelte. Als Toter sah er zwar blass aber ansonsten wie ein friedvoll Schlafender aus. Opa Valentin, ich werde dich nie vergessen!
Sterbeurkunde des Standesamtes Wanne-Eickel von Valentin Grunenberg (ID8)
Danke allen Familienangehörigen (Enkel und Urenkel von Valentin), die mich so toll mit Fotos und Infos in einem Maß "eindeckten", wie ich nie für möglich gehalten hätte:
Jutta Burkert, Christa Scholle, Karlheinz Grunenberg, Irmgard Breidenbach +, Martin Andrzejewski, Bernhard Grunenberg, Michaela Gärtner, Gerti Sojka, Margret Fest, Thomas Andrzejewski +, Marga Weiß, Bernd Grunenberg, Brigitte Hengst. Ich bitte um Nachsicht, falls ich jemanden unbeabsichtigt vergessen haben sollte.
Mein Dank geht auch an meine Tante Käthe, die mich immer wieder aufforderte und motivierte die Geschichte der Grunenberg zu erforschen. Leider wusste ich zu ihren Lebzeiten noch nicht wie man das machen kann.
6. Bruno Grunenberg (ID4)
Mein Vater wurde als viertes Kind einer 12-köpfigen Familie in Wanne, Bergstraße 33a (heute Herne, Am Berg) geboren. Sechs seiner neun Geschwister erreichten das
Erwachsenenalter und hatte selber Kinder. Nach dem achtjährigen Besuch der Volksschule in Wanne-Bickern schloss sich eine Schuhmacherlehre in Bösensell bei Münster an. Als Geselle arbeitete er
dann in Havixbeck im Münsterland. Durch die hohe Arbeitslosigkeit in der Weimarer Republik musste Bruno Grunenberg seinen Beruf aufgeben und fing, wie sein Vater, im Bergbau an und übte danach
den Beruf des Hauers aus.
Bruno Grunenberg (ID 4) auf einem Klassenfoto vor der Bickernschule um 1920. Es ist gleich-zeitig die älteste Aufnahme meines Vaters.
Nachdem seine Mutter im Oktober 1926 an Tuberkulose gestorben war, hielt er sich einen Monat später in Bad Driburg auf. Es könnte sich dabei um eine vorbeugende Gesundheitsmaßnahme des damals 17-jährigen gehandelt haben.
Aufenthalt in Bad Driburg am 29.11.1926. Bruno Grunenberg in der mittleren Reihe rechts und im Bildausschnitt.
Bruno Grunenberg als junger Mann von ca. 20 Jahren. Mit Anzug und Krawatte ließ er sich immer gerne fotografieren. Wie sein Vater Valentin Grunenberg ging
er gerne zum Fotografen.
Im Juli 1932 hielt sich Bruno Grunenberg in Volmarstein auf. Der Anlass ist leider nicht mehr bekannt. Auf dem linken Bild ist er vorne links und auf der rechte Aufnahme in der Bildmitte zu sehen.
In den 1930er Jahren wohnte Bruno Grunenberg in der Mathildenstraße 11 (Adressbuch von Wanne-Eickel aus dem Jahr 1937).
Im Dezember 1937 heiratete Bruno Grunenberg, die fünf Jahre jüngere Johanna Grenda. Mit ihr bezog er eine Wohnung in der Bochumer Straße 269 in Wanne-Eickel. Die Wohnung lag direkt über der Wohnung seiner Schwiegereltern. Ein Jahr später (1938) bekam das Paar ein Kind und nannte es nach dem Vater Bruno Grunenberg (ID 2a). Bereits Ende 1940 starb seine Frau Johanna Grenda im Alter von nur 26 Jahren an Krebs.
Bildergalerie des Ehepaares Grunenberg/Grenda mit Brunos Schwester Therese Grunenberg bei einer Radtour nach Haltern am See und mit Sohn Bruno (ID 2a). Die fast gleichaltrigen Theresia Grunenberg und Johanna Grenda waren eng befreundet. Es gibt mehrere Fotos mit den beiden Frauen.
Der Witwer Bruno Grunenberg begann relativ schnell mit der Suche nach einer zweiten Ehefrau, denn die Arbeit als Bergmann und Alleinerzieher eines erst dreijährigen Kindes zu sein, war nur schwer vereinbar. Seine zweite Ehefrau Maria Klein lernte Bruno Grunenberg über eine Heiratsanzeige kennen. Die von ihm an Maria Klein gesandten Fotos gibt es noch heute (siehe folgende Fotos).
Mit den beiden linken Fotos stellte sich Bruno Grunenberg seiner zukünftigen Ehefrau Maria Klein 1941 vor. Etwa ein halbes Jahr nach der Hochzeit im Januar 1942 sind die beiden zum erstenmal gemeinsam auf einem Foto zusehen.
Im Januar 1942 heirateten Bruno Grunenberg und Maria Klein. Im Oktober kam ihr erstes gemeinsames Kind zur Welt. Das Paar lebte zunächst in Wanne-Eickel im Stadtteil Röhlinghausen, Bochumer Str. 269 (heute Edmund-Weber Straße 269). Dem Ehepaar war keine lange gemeinsame Zeit beschieden. Wegen des 2. Weltkriegs wurde Maria Klein mit ihren Kindern nach Marienbad/Tschechei evakuiert. Sie war zu dieser Zeit erneut schwanger. In Marienbad kam das dritte Kind von Bruno Grunenberg zur Welt. Fast zeitgleich wurde Bruno Grunenberg (ID 4) in Röhlinghausen ausgebombt und zog in die Mathildenstr. 11. Seine Schwester Hedwig hatte die Räumlichkeiten gerade frei gemacht und war mit ihrer Familie nach Bochum gezogen.
Der Rückweg von der Evakuierung in der Tschechei nach dem 2. Weltkrieg war für meine Mutter unglaublich hart. Sie musste den Weg mit den ein, drei und sieben Jahre alten Kindern fast ausschließlich zu Fuß zurücklegen. Eine Mitnahme auf den wenigen Fahrzeugen gelang fast nur den Erwachsenen. Auf Kinder wurde keine Rücksicht genommen, denn jeder war sich in dieser schweren Zeit selbst der Nächste. Sohn Bruno Grunenberg fühlte sich für die hungernde Familie verantwortlich und ging regelmäßig mit nur sieben Jahren für seine Mutter und kleinen Geschwister "organisieren". Was mag in der streng gläubigen Katholikin Maria Klein vorgegangen sein?
Als die Familie in Essen-Steele am Wasserturm angekommen war, erkannte der siebenjährige Bruno aus ca. 10 km Entfernung die Kirchen
seiner Heimat und rannte meiner Mutter weg. Sie war verzweifelt. Er hat den Weg nach Hause gefunden. Bruno betrat die Wohnung seiner Oma, die gerade Pellkartoffeln gekocht und auf dem Tisch zum
Auskühlen ausgebreitet hatte. Der ausgehungerte siebenjährige Bruno schnappte sich eine kochend heiße Kartoffel und hielt sie fest in der Hand. Als Oma sagte, dass er die heiße Kartoffel zur
Seite legen soll, denn er könne alle Kartoffeln haben, entgegnete der Junge: "Oma, du hast keine Ahnung!" Diesen Ausspruch wiederholte meine Oma auch noch viele Jahre nach Kriegsende.
Wie ausgehungert muss der erst sieben Jahre alte Junge gewesen sein?
Meine Mutter suchte während dessen ihren davongelaufenen Sohn. Zeitgleich schwärmte die Familie in alle Himmelsrichtungen (nahegelegene Bahnhöfe, Bushaltestellen, etc.) aus, um sie zu suchen, denn auch Bruno wusste nicht, in welcher Stadt er davongelaufen war. Erst nach zwei Tagen fand sich die Familie wieder.
Die wiedervereinte Familie nach Kriegsende 1945. Mit diesen drei Kindern legte Maria Klein die Strecke von der Tschechei ins Ruhrgebiet ausgehungert zu Fuß zurück. Der siebenjährige Bruno (Bildmitte) "organisierte" auf dem langen Weg noch Hause, um die Familie am Leben zu halten.
Im Bergbau verlor mein Vater vor dem Krieg bei einem Arbeitsunfall eineinhalb Finger der rechten Hand. Nur noch zwei Finger der Hand konnte er danach noch bewegen. Mit seinen abgequetschten Fingern musste er bis zum Schichtende unter Tage ausharren. Für solche "Bagatellunfälle" wurde der Förderkorb nicht bewegt. Danach konnte er nicht mehr als Hauer arbeiten. 1937 weist ihn das Wanne-Eickeler Adressbuch als Lokführer aus. Diese Tätigkeit übte er wie später die des Fördermaschinisten unter Tage aus.
Nach dem 2. Weltkrieg reparierte Bruno Grunenberg (Bildmitte links) Arbeitsschuhe im Auftrag der Zeche in der Emscherstraße in Wanne-Eickel. Rechtes Bild: Bruno Grunenberg (vorne rechts) beim Schichtwechsel. Die schwarzen Bergleute hatten Schichtende, für meinen Vater fing die Schicht an. Es gab keine vom Arbeitgeber zur Verfügung gestellten Helme. Mein Vater hatte immerhin einen selbst erworbenen Helm aus Leder.
1954 kam ich als viertes Kind von Bruno Grunenberg zur Welt. Bis zur Mitte der 60iger Jahre konnten meine Eltern wegen der Kinder nicht gemeinsam in Urlaub fahren.
Mein Vater fuhr in dieser Zeit mehrere Mal in das Bauerndorf Breuna in Nordhessen; meist mit mir. Die Reise war von der Zeche organisiert und es fuhren zahlreiche Bergleute mit. Auch meine Mutter
fuhr ohne Ehepartner dorthin in Urlaub und nahm mich mit. Erst Mitte der 1960er Jahre gab es gemeinsame Urlaube meiner Eltern nach Breuna. Auch nach Österreich (Vöcklamarkt) ging es einmal. Es
war für meine Eltern der erste Auslandsaufenthalt.
Urlaub meiner Eltern im nordhessischen Dorf Breuna. Oben: der Bauernhof auf dem wir ein Zimmer hatten, Ehrung zum 20sten Aufenthalt (meine Eltern und ich in der Bildmitte). Unten: Impressionen von Wanderungen.
Die große Leidenschaft meiner Eltern war der hinter dem Haus liegende Nutzgarten. Obst und Gemüse wurden dort angebaut. Zwei Beete waren für Blumen reserviert, um
die sich meine Mutter kümmerte. Stundenlang entkernte mein Vater im Sommer große Mengen an Sauerkirschen aus dem eigenen Garten. Als Hobby hatte er das Briefmarkensammeln und den Fußball. Mit ihm
und anderen Bergleuten war ich mit dem Fahrrad oft in der ca. 6 km entfernt liegenden Glückaufkampfbahn des FC Schalke 04. Alle Auswärtsspiele wurden leidenschaftlich im Radio verfolgt. Zwei bei
Bergleuten sehr verbreitete Hobbys hatte mein Vater nicht: Die Taubenzucht war von meiner Mutter untersagt worden: "Die scheißen nur alles voll". Und mein Vater ging nie in Gaststätten
um sich zu betrinken. Seine oberste Maxime war, seinen Kindern eine gute Ausbildung zukommen zu lassen. Keiner sollte auf einer Zeche arbeiten müssen. Er hat dieses Ziel erreicht. Danke Papa!
Bruno Grunenberg vor dem Kirschbaum, der sich noch prächtig entwickeln sollte. Meine Eltern auf der Gartenbank vor unserer Mietwohnung (linke Hälfte). Mein Vater beim Entkernen von Kirschen.
1969 bekam Bruno Grunenberg einen schweren Herzinfarkt. Das Leben änderte sich schlagartig. Jetzt, wo die Zeit gekommen war, gemeinsame Wanderurlaube in Österreich zu machen, konnte Bruno Grunenberg nicht mehr dort hinreisen. Das Arbeitsleben endete. 1974 bekam er seinen zweiten Infarkt im St. Anna-Hospital zu Wanne-Eickel. In diesem Krankenhaus machte ich zu dieser Zeit meinen Zivildienst. Vom Tod meines Vaters wurde ich vom behandelnden Arzt unmittelbar vor meinem Arbeitsbeginn gegen sechs Uhr morgens telefonisch unterrichtet. Ich war erst 20 Jahre alt. Danach trat ich den Weg zu meiner Mutter an, um sie vom Tod ihres Mannes zu unterrichten. Der eine Kilometer zu ihrer Wohnung war der längste Weg meines Lebens.
Im St. Anna-Hospital war auch sein Vater Valentin Grunenberg und seine Schwiegermutter Maria Viktoria Klein gestorben. Fast 20 Jahre später schloss an gleicher Stelle mein ältester Bruder Bruno dort für immer seine Augen.
Bruno Grunenberg (ID 4)
Ende der 1960iger Jahre.
Das letzte Foto kurz vor dem Tod vom Bruno Grunenberg (ID 4). Eine typische Aufnahme: Selbst beim Anbringen eines Vogelhäuschens akkurat gekleidet.
2022-10: Ergänzung im Oktober 2022: Wohnung des Ehepaares Valentin Grunenberg und Katharina Wohlgemuth in der Karlstraße 10a in Wanne im Jahr 1906.
2023-09: Sterbeurkunde von Valentin Grunenberg (ID 8) hinzugefügt.
2023-12: Familienfoto von Valentin Grunenberg aus dem Jahr 1914 hinzugefügt.